Veröffentlicht in "Trotz Alledem", November 2010 |
Der "Antistalinismus" ist die Speerspitze des Antikommunismus |
Sich wahrhaftiges Wissen
anzueignen über die Geschichte der Sowjetunion, der Rolle von
Josef W. Stalin wie der Rolle seiner Verleumder, ist das Studium von
Original- literatur am besten geeignet. Zu den besonders lesenswerten
Dokumenten gehört Stalins Schlusswort auf dem Plenum des ZK der
KPdSU(B) im März 1937, "Über die Mängel der Parteiarbeit
und die Maßnahmen zur Liquidierung der trotzkistischen und
sonstigen Doppelzüngler".
Vor dem Redetxt eine redaktionelle Vorbemerkung (aus "Trotz Alledem", November 2010) Der Antistalinismus ist bis heute die Speerspitze des Antikommunismus, der gleicher- maßen von den Revisionisten zur "Rechtfertigung" ihrer Abkehr von den Grundlagen des Marxismus-Leninismus und des damit verbundenen Verrats am Sozialismus, wie auch von den Ideologen des Imperialismus zum "Beweis" des "menschenfeindlichen" Charakters der sozialistischen Gesellschaft benutzt wird. Mit seiner verlogenen Rede wider den angeblichen Personenkult und die "Verbrechen" Stalins hat Chruschtschow als damaliges Haupt des Revisionismus in der KPdSU nicht nur das Ansehen der UdSSR und die Ehre der sowjetischen Revolutionäre in den Schmutz gezogen, er hat nicht zuletzt dem Imperialismus mit dem Antistalinismus eine unschätzbare Waffe für den ideologischen Kampf gegen den Sozialismus und die gesamte kommunistische Bewegung in die Hand gegeben. "Kommunisten" als Zeugen für angebliche Verbrechen von Kommunisten, etwas Besseres konnte den Demagogen in den Meinungsfabriken der kapitalistischen Ländern gar nicht widerfahren. Daß die Mehrzahl der kommunistischen Parteien sich entweder der revisionistischen Linie der KPdSU anschloß oder zumindest den Abschnitt des Aufbaus und der Verteidigung des Sozialismus in der Sowjetunion, soweit sie mit dem Namen Stalins verbunden war, mit Schweigen in die geschichtliche "Vergessenheit" verbannte, verstärkte die antikommunistische Wirksam- keit des Antistalinismus noch. Über Jahrzehnte war es so nahezu allein der Imperialismus, der über seine Medien das "historische Bild" über Stalin bestimmte. Und dieses Bild bestand und besteht aus Lügen, Unterstellungen, Verdrehungen und düsteren Schreckensgemälden über einen angeblichen Diktator, einen "Unmenschen". Wen wundert es, daß selbst ansonsten ehrliche Kommunisten in bezug auf Stalin entweder am liebsten gar keine Positionen vertreten möchten oder meinen, nicht über ihn reden zu können, ohne sich zumindest von ihm zu distanzieren. Sie kennen vielfach die Wahrheit nicht, sie haben weder seine Werke gelesen, noch sind sie mit den tatsächlichen histo- rischen Fakten des Wirkens von Stalin und der mit ihm verbunden Periode sowjetischer Geschichte vertraut. Ein Hauptvorwurf gegen Stalin ist dessen angebliche "Schuld" an der Verfolgung vieler "Unschuldiger". Wie die bis in geradezu groteske Größenordnungen hochgeschwindelten "Opferzahlen" entbehrt dieser Vorwurf jeder Realität. Die nachfolgende Rede des Genossen Stalin auf dem Plenum des ZK der KPdSU(B), das Anfang März 1937 stattfand, belegt im Gegenteil, daß es gerade der Genosse Stalin war, der sich gegen jedes undifferenzierte und unbegründete Vorgehen gegen vermutete Gegner des Sozialismus in der Sowjetunion wandte und jeder Politik eines Vorgehens nach dem Motto "im Zweifel zu Lasten des Verdächtigen" eine Abfuhr erteilte. Die Kernsaussage des Genossen Stalin dazu lautete: "Wie ist die Aufgabe der Zerschmetterung und Vernich- tung der japanisch-deutschen Agenten des Trotzkismus praktisch zu verwirklichen? Bedeutet das, dass es nicht nur die wirklichen Trotzkisten zu schlagen und zu vernich- ten gilt, sondern auch diejenigen, die irgendeinmal nach der Seite des Trotzkismus hin schwankten, später aber, schon vor langer Zeit, sich vom Trotzkismus abgewandt haben, nicht nur diejenigen, die wirklich trotzkistische Schädlingsagenten sind, sondern auch diejenigen, die irgendeinmal in die Lage kamen, durch eine Straße zu gehen, durch die irgendeinmal dieser oder jener Trotzkist gegangen ist? Jedenfalls sind solche Stimmen hier auf dem Plenum laut geworden. Kann man eine solche Auslegung der Resolution für richtig halten? Nein, man kann sie nicht für richtig halten. In dieser Frage ist, wie auch in allen anderen Fragen, ein individuelles, differenziertes Herangehen an die Menschen erforderlich. Man darf nicht alle über einen Kamm scheren. So ein summarisches Verfahren kann der Sache des Kampfes gegen die wirk- lichen trotzkistischen Schädlinge und Spione nur schaden." Die Rede befaßt sich zudem weiter mit wichtigen Fragen der Parteiarbeit, der Kaderpolitik, der Fragen von Kritik und Selbstkritik und der demokratischen Kontrolle der Partei- und Regierungsarbeit durch die einfachen Parteimitglieder und das werktätige Volk und des damit verbundenen offenen Umgangs mit Fehlern und fehlerhaften Entwicklungen. Wenn sich jetzt noch jemand fragen sollte, warum die Werke und Reden Stalins aus den Bücherhandlungen und Bibliotheken verbannt wurden, warum die Genossen angehalten wurden, Stalins Werke aus ihren Bücherschränken zu entfernen, dann sollte die Antwort offensichtlich sein: Nicht deshalb, um die Genossen davor zu bewahren, "Falsches" zu lernen, sondern um ihnen die Wahrheit vorzuenthalten. Was der Genosse Stalin tatsächlich sagte oder niederschrieb, nach welchen Prinzipien er in Wirklichkeit handelte, steht im offenkundigen, krassen Gegensatz zu dem, was bis heute an Lügen und Fälschungen über ihn verbreitet wird. Wir veröffentlichen die nachfolgende Dokumente auch deshalb, damit sich der Leser selbst ein Bild machen kann, was der Genosse Stalin wirklich zu den politischen und ökonomischen Fragen des Aufbaus des Sozialismus und der Verteidigung gegen konterrevolutionäre Kräfte gesagt hat. Verbunden mit der geschichtlichen Tatsache, daß sich die Sowjetunion nach dem Sieg der Oktoberrevolution unter Lenin am erfolgreichsten in der Periode entwickelte, in der die Kommunistische Partei unter der Verantwortung von Stalin das Land führte, und daß die Sowjetunion erst im Zuge der sogenannten "Entstalinisierung" für die Konterrevolution besiegbar wurde, sollte jedem Kommunisten Anlaß sein, sich besser mit der Geschichte des Sozialismus in der Sowjetunion vertraut zu machen. Dazu gehört, sich von dem Chruschtschowschen Lügengespinst zu befreien und sich nicht vor der allgegenwärtigen antistalinistischen Propaganda beeindrucken zu lassen und statt dessen die tatsächlichen historischen Vorgänge und Zusammenhänge zu studieren. Das Studium der Werke Stalins ist eine Voraussetzung, um die Wahrheit von der Lüge trennen und sich ein vorurteilsfreies, originäres Bild von der Person und dem Wirken des Genossen Stalin zu verschaffen. Redaktion "Trotz Alledem" J. W. Stalin "Über die Mängel der Parteiarbeit und die Maßnahmen zur Liquidierung der trotzkistischen und sonstigen Doppelzüngler" Schlusswort auf dem Plenum des ZK der KPdSU(B), 3. und 5. März 1937 Genossen! Ich habe in meinem Referat über die grundlegenden Fragen der zu behandelnden Angelegenheit gesprochen. Die Diskussion hat gezeigt, dass bei uns jetzt volle Klarheit herrscht, dass die Aufgaben verstanden werden und die Bereitschaft besteht, die Mängel in unserer Arbeit zu beseitigen. Die Diskussion hat aber auch gezeigt, dass es einige konkrete Fragen unserer praktischen organisatorisch-politischen Arbeit gibt, die bei uns noch nicht ganz klar verstanden werden. Ich habe sieben solcher Fragen gezählt. Gestatten Sie mir, einige Worte über diese Fragen zu sagen: 1. Jetzt, so muss man annehmen, haben alle begriffen und eingesehen, dass man in eine Sackgasse gerät, wenn man sich übermäßig für Wirtschaftskampagnen und wirt- schaftliche Erfolge begeistert und dabei die parteipolitischen Fragen unterschätzt und außer acht läßt. Es ist also notwendig, die Aufmerksamkeit der Funktionäre auf die parteipolitischen Fragen zu lenken, damit die wirtschaftlichen Erfolge sich mit Erfol- gen der parteipolitischen Arbeit paaren und neben ihnen einhergehen. Wie ist die Aufgabe der Verstärkung der parteipolitischen Arbeit, die Aufgabe der Befreiung der Parteiorganisationen von den wirtschaftlichen Kleinfragen praktisch zu verwirklichen? Wie aus der Diskussion hervorgeht, sind manche Genossen geneigt, daraus die falsche Schlussfolgerung zu ziehen, man müsse jetzt überhaupt der wirtschaftlichen Arbeit den Rücken kehren. Jedenfalls wurden Stimmen laut: Nun, jetzt kommen wir, Gott sei Dank, von den wirtschaftlichen Dingen los, jetzt kann man sich auch mit parteipolitischer Arbeit befassen. Ist diese Schlussfolgerung richtig? Nein, sie ist falsch. Als unsere Parteigenossen in ihrer Begeisterung für die wirtschaft- lichen Erfolge der Politik den Rücken kehrten, war das ein Extrem, das uns große Opfer kostete. Wenn jetzt manche unserer Genossen, die an die Verstärkung der partei- politischen Arbeit gehen, auf den Gedanken verfallen, der Wirtschaft den Rücken zu kehren, so wird das ein anderes Extrem sein, das uns nicht weniger Opfer kosten wird. Man darf nicht aus einem Extrem ins andere fallen. Man darf die Politik nicht von der Wirtschaft trennen. Wir können uns ebenso wenig von der Wirtschaft abkehren, wie wir uns von der Politik abkehren können. Zur Erleichterung des Studiums pflegt man methodologisch die Fragen der Wirtschaft von den Fragen der Politik zu trennen. Aber das ist lediglich eine methodologische, eine künstliche Trennung, die nur zur Erleich- terung des Studiums vorgenommen wird. Im Leben dagegen, in der Praxis sind Politik und Wirtschaft nicht voneinander zu trennen. Sie existieren zusammen und wirken zusammen. Und wer in unserer praktischen Arbeit die Wirtschaft von der Politik tren- nen will, wer die wirtschaftliche Arbeit um den Preis einer Beeinträchtigung der politischen Arbeit oder, umgekehrt, die politische Arbeit um den Preis einer Beein- trächtigung der wirtschaftlichen Arbeit verstärken will, - der gerät unbedingt in eine Sackgasse. Der Sinn des bekannten Punktes des Resolutionsentwurfs über die Befreiung der Partei- organisationen von den wirtschaftlichen Kleinfragen und die Verstärkung der parteipolitischen Arbeit besteht nicht darin, der wirtschaftlichen Arbeit den Rücken zu kehren und auf die Leitung der Wirtschaft zu verzichten, sondern lediglich darin, die Praxis nicht länger zu dulden, dass unsere Parteiorganisationen die Wirtschaftsorgane, darunter auch besonders die Landwirtschaftsorgane, ersetzen und ihnen jegliche Verantwortung nehmen. Es gilt also, sich die Methode bolschewistischer Leitung der Wirtschaftsorgane zu Eigen zu machen, die darin besteht, diesen Organen syste- matisch zu helfen, sie systematisch zu festigen und die Wirtschaft nicht unter Umge- hung dieser Organe, sondern durch sie zu leiten. Man muss den Wirtschaftsorganen und vor allem den Landwirtschaftsorganen bessere Kräfte zur Verfügung stellen, man muss diese Organe durch neue, durch bessere Mitarbeiter verstärken, die fähig sind, die ihnen gestellten Aufgaben zu erfüllen. Erst wenn diese Arbeit getan ist, kann man darauf rechnen, dass die Parteiorganisationen von den wirtschaftlichen Kleinfragen restlos befreit sein werden. Es ist klar, dass das eine ernste Angelegenheit ist und eine gewisse Zeit erfordert. Solange dies aber nicht geschehen ist, werden sich die Partei- organisationen auch weiterhin, während einer bestimmten kurzen Zeit, unmittelbar mit landwirtschaftlichen Angelegenheiten, mit all ihren Kleinfragen, mit der Boden- bestellung, der Aussaat, der Ernteeinbringung usw. befassen müssen. 2. Ein paar Worte über die Schädlinge, Diversanten, Spione usw. Jetzt ist es, glaube ich, für alle klar, dass die heutigen Schädlinge und Diversanten, unter welcher Flagge sie auch immer segeln mögen, ob unter trotzkistischer oder unter bucharinscher, schon längst aufgehört haben, eine politische Strömung in der Arbeiterbewegung zu sein, dass sie sich in eine prinzipien- und ideenlose Bande berufsmäßiger Schädlinge, Diversanten, Spione, Mörder verwandelt haben. Es ist klar, dass diese Herrschaften schonungslos zerschmettert und vernichtet werden müssen, als Feinde der Arbeiter- klasse, als Verräter an unserer Heimat. Das ist klar und bedarf keiner weiteren Erläuterungen. Nun aber die Frage: Wie ist die Aufgabe der Zerschmetterung und Vernichtung der japanisch-deutschen Agenten des Trotzkismus praktisch zu verwirklichen? Bedeutet das, dass es nicht nur die wirklichen Trotzkisten zu schlagen und zu vernichten gilt, sondern auch diejenigen, die irgendeinmal nach der Seite des Trotzkismus hin schwankten, später aber, schon vor langer Zeit, sich vom Trotzkismus abgewandt haben, nicht nur diejenigen, die wirklich trotzkistische Schädlingsagenten sind, sondern auch diejenigen, die irgendeinmal in die Lage kamen, durch eine Straße zu gehen, durch die irgendeinmal dieser oder jener Trotzkist gegangen ist? Jedenfalls sind solche Stimmen hier auf dem Plenum laut geworden. Kann man eine solche Auslegung der Resolution für richtig halten? Nein, man kann sie nicht für richtig halten. In dieser Frage ist, wie auch in allen anderen Fragen, ein individuelles, differenziertes Herangehen an die Menschen erforderlich. Man darf nicht alle über einen Kamm scheren. So ein summarisches Verfahren kann der Sache des Kampfes gegen die wirk- lichen trotzkistischen Schädlinge und Spione nur schaden. Unter unseren verantwortlichen Genossen gibt es eine gewisse Anzahl ehemaliger Trotzkisten, die sich schon längst vom Trotzkismus abgewandt haben und den Kampf gegen den Trotzkismus nicht schlechter, ja besser führen als manche unserer verehrten Genossen, die nie in die Lage gekommen sind, nach der Seite des Trotzkismus hin zu schwanken. Es wäre töricht, solche Genossen jetzt in Verruf zu bringen. Unter unseren Genossen gibt es auch solche, die ideologisch stets gegen den Trotz- kismus eingestellt waren, aber trotzdem persönliche Verbindungen mit einzelnen Trotzkisten unterhielten, die sie unverzüglich abbrachen, sobald ihnen die wahre Physiognomie des Trotzkismus klar geworden war. Es ist natürlich nicht gut, dass sie ihre persönlichen freundschaftlichen Verbindungen mit einzelnen Trotzkisten nicht sofort, sondern mit Verspätung abbrachen. Es wäre aber töricht, solche Genossen mit den Trotzkisten auf die gleiche Stufe zu stellen. 3. Was bedeutet es, die Mitarbeiter richtig auszuwählen und auf den richtigen Arbeits- platz zu stellen? Das bedeutet, die Mitarbeiter erstens nach politischen Gesichtspunkten auszuwählen, das heißt nach dem Gesichtspunkt, ob sie politisches Vertrauen verdienen, und zwei- tens nach fachlichen Gesichtspunkten, das heißt nach dem Gesichtspunkt, ob sie für eine bestimmte konkrete Arbeit geeignet sind. Das bedeutet, dass die fachliche Methode der Auswahl nicht zu einer praktizistischen Methode werden darf, bei der man sich für die fachliche Eignung der Mitarbeiter interessiert, ohne sich für ihre politische Physiognomie zu interessieren. Das bedeutet, dass die politische Methode der Auswahl nicht zur einzigen und aus- schließlichen Methode werden darf, bei der man sich für die politische Physiognomie der Mitarbeiter interessiert, ohne sich für ihre fachliche Eignung zu interessieren. Kann man sagen, dass dieser bolschewistische Grundsatz von unseren Parteigenossen befolgt wird? Leider kann man das nicht sagen. Hier auf dem Plenum wurde bereits darüber gesprochen. Aber es wurde nicht alles gesagt. Es handelt sich darum, dass dieser bewährte Grundsatz in unserer Praxis auf Schritt und Tritt, und zwar aufs gröbste verletzt wird. Meistens erfolgt die Auswahl der Mitarbeiter nicht nach objekti- ven Gesichtspunkten, sondern nach zufälligen, subjektiven, spießerhaft-kleinbürger- lichen Gesichtspunkten. Meistens sucht man sich so genannte Bekannte, Freunde, Landsleute, persönlich ergebene Leute, Meister in der Lobpreisung ihrer Vorgesetzten aus - ohne Rücksicht auf ihre politische und fachliche Eignung. Es ist klar, dass auf diese Weise statt einer führenden Gruppe verantwortlicher Funk- tionäre eine Sippschaft einander nahe stehender Leute, eine Innung herauskommt, deren Mitglieder darauf bedacht sind, in Frieden zu leben, einander nicht weh zu tun, nicht aus der Schule zu plaudern, einander zu lobpreisen und der Zentrale von Zeit zu Zeit völlig nichts sagende und Übelkeit erregende Berichte über Erfolge einzusenden. Es ist nicht schwer, zu begreifen, dass es bei einer solchen Sippenwirtschaft weder für Kritik an den Mängeln der Arbeit noch für Selbstkritik der Leiter der Arbeit Platz geben kann. Es ist klar, dass eine solche Sippenwirtschaft einen günstigen Boden abgibt für die Züchtung von Speichelleckern, von Leuten, die jeglichen Gefühls eigener Würde bar sind und deshalb mit dem Bolschewismus nichts gemein haben. Nehmen wir zum Beispiel die Genossen Mirsojan und Wainow. Der eine ist Sekretär der Regionsparteiorganisation von Kasachstan, der andere ist Sekretär der Jaroslawler Gebietsparteiorganisation. Diese Genossen sind nicht unsere schlechtesten Funktio- näre. Wie aber wählen sie ihre Mitarbeiter aus? Der eine hat aus Aserbaidshan und vom Ural, wo er früher arbeitete, 30-40 „seiner“ Leute nach Kasachstan mitgeschleppt und sie auf verantwortliche Posten in Kasachstan gestellt. Der andere hat aus dem Donezbecken, wo er früher arbeitete, ebenfalls mehr als ein Dutzend „seiner“ Leute nach Jaroslawl mitgeschleppt und sie ebenfalls auf verantwortliche Posten gestellt. Genosse Mirsojan hat also seine eigene Innung. Eine eigene Innung hat auch Genosse Wainow. Hätte man nicht, geleitet von dem bekannten bolschewistischen Grundsatz von der Auswahl und Verteilung der Kader, an Ort und Stelle Mitarbeiter auswählen können? Natürlich hätte man das gekonnt. Warum aber haben sie das nicht getan? Weil sie den bolschewistischen Grundsatz von der Auswahl der Mitarbeiter verletzen, der die Möglichkeit einer spießerhaft-kleinbürgerlichen Methode der Auswahl, die Möglichkeit einer Auswahl der Mitarbeiter vom Standpunkt der Sippen- und Vetternwirtschaft ausschließt. Außerdem wollten sich diese Genossen, als sie sich persönlich ergebene Leute als Mitarbeiter heranholten, offenbar ein Milieu schaffen, das ihnen eine gewisse Unabhängigkeit sowohl gegenüber den örtlichen Funktionären als auch gegenüber dem ZK der Partei sichern sollte. Angenommen, die Genossen Mirsojan und Wainow würden infolge dieser oder jener Umstände von dem Ort ihrer gegenwärtigen Arbeit nach irgendwelchen anderen Orten versetzt werden. Was sollen sie in einem solchen Fall mit ihren „Trabanten“ anfangen? Sollen sie sie wirklich wieder an ihre neue Arbeitsstelle mitschleppen? Zu einer solchen Absurdität führt die Verletzung des bolschewistischen Grundsatzes von der richtigen Auswahl und Verteilung der Funktionäre. 4. Was bedeutet es, die Funktionäre zu kontrollieren, die Durchführung der Aufträge zu kontrollieren? Die Funktionäre zu kontrollieren, bedeutet, sie nicht aufgrund ihrer Versprechungen und Deklarationen zu überprüfen, sondern aufgrund der Ergebnisse ihrer Arbeit. Die Durchführung der Aufträge zu kontrollieren, bedeutet, sie nicht nur vom Schreibtisch aus und nicht nur aufgrund von formellen Rechenschaftsberichten zu überprüfen, sondern sie vor allem am Arbeitsort aufgrund der tatsächlichen Ergebnisse zu überprüfen. Ist eine solche Kontrolle überhaupt nötig? Sie ist unbedingt nötig. Sie ist nötig, erstens weil nur eine solche Kontrolle es ermöglicht, den Mitarbeiter kennen zu lernen, seine wirklichen Eigenschaften festzustellen. Sie ist zweitens nötig, weil nur eine solche Kon- trolle es ermöglicht, die Vorzüge und Mängel des ausführenden Apparats festzustellen. Sie ist drittens nötig, weil nur eine solche Kontrolle es ermöglicht, die Vorzüge und Mängel der Aufträge selbst festzustellen. Manche Genossen meinen, die Kontrolle der Funktionäre könne nur von oben erfolgen, wenn die Führer die von ihnen Geführten aufgrund der Ergebnisse ihrer Arbeit überprüfen. Das ist falsch. Kontrolle von oben ist natürlich nötig als eine der wirksamen Maßnahmen zur Überprüfung der Menschen und zur Überprüfung der Durchführung der Aufträge. Aber mit der Kontrolle von oben ist bei weitem nicht die ganze Kontrolle erschöpft. Es gibt noch eine andere Art der Kontrolle, die Kontrolle von unten, wenn die Massen, wenn die Geführten die Führer überprüfen, ihre Fehler aufdecken und ihnen die Wege zu ihrer Behebung zeigen. Eine solche Kontrolle ist eins der wirksamsten Mittel zur Überprüfung der Menschen. Die Parteimassen überprüfen die führenden Funktionäre in Aktivtagungen, in Konferenzen, auf Parteitagen durch Entgegennahme ihrer Rechenschaftsberichte, durch Kritik an den Mängeln, schließlich durch Wahl beziehungsweise Nichtwahl dieser oder jener führenden Genossen in die leitenden Organe. Strikte Durchführung des demokratischen Zentralismus in der Partei, wie dies vom Statut unserer Partei gefordert wird, unbedingte Wählbarkeit der Parteiorgane, das Recht, Kandidaten aufzustellen und abzulehnen, geheime Wahl, Freiheit der Kritik und Selbstkritik - alle diese und ähnliche Maßnahmen müssen unter anderem auch deshalb durchgeführt werden, um die Überprüfung und Kontrolle der Führer der Partei durch die Partei- massen zu erleichtern. Die parteilosen Massen überprüfen die führenden Wirtschafts-, Gewerkschafts- und übrigen Funktionäre in Aktivversammlungen der Parteilosen, in Massenberatungen jeder Art, wo sie die Rechenschaftsberichte der führenden Funktionäre entgegen- nehmen, Mängel kritisieren und Wege zu ihrer Behebung aufzeigen. Schließlich überprüft das Volk die Führer des Landes bei den Wahlen zu den Machtorganen der Sowjetunion durch die allgemeine, gleiche, direkte und geheime Abstimmung. Die Aufgabe besteht darin, die Kontrolle von oben mit der Kontrolle von unten zu vereinigen. 5. Was bedeutet es, die Kader anhand ihrer eigenen Fehler zu schulen? Lenin lehrte uns, dass die gewissenhafte Aufdeckung der Fehler der Partei, die Untersuchung der Ursachen, die diese Fehler hervorgerufen haben, und die Festlegung der Wege zur Behebung dieser Fehler eins der sichersten Mittel zur richtigen Schulung und Erziehung der Parteikader, zur richtigen Schulung und Erziehung der Arbeiter- klasse und der werktätigen Massen ist. Lenin sagt: „Das Verhalten einer politischen Partei zu ihren Fehlern ist eines der wichtigsten und sichersten Kriterien für den Ernst einer Partei und für die tatsächliche Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber ihrer Klasse und den werktätigen Massen. Einen Fehler offen zugeben, seine Ursachen aufdecken, die Umstände, die ihn hervorgerufen haben, analysieren, die Mittel zur Behebung des Fehlers sorgfältig prüfen - das ist das Merkmal einer ernsten Partei, das heißt Erfüllung ihrer Pflichten, das heißt Erziehung und Schulung der Klasse und dann auch der Masse.“ (Lenin; AW, Bd. III, Berlin 1970, S. 427) Das bedeutet, dass es Pflicht der Bolschewiki ist, ihre Fehler nicht zu vertuschen, der Frage nach ihren Fehlern nicht auszuweichen, wie dies bei uns häufig geschieht, sondern offen und ehrlich ihre Fehler zuzugeben, offen und ehrlich die Wege zur Behebung dieser Fehler aufzuzeigen, offen und ehrlich ihre Fehler zu korrigieren. Ich kann nicht sagen, dass viele unserer Genossen das bereitwillig tun. Aber Bolschewiki, wenn sie wirklich Bolschewiki sein wollen, müssen den Mut aufbringen, ihre Fehler offen zuzugeben, müssen deren Ursachen aufdecken, Wege zu ihrer Behebung aufzeigen und damit der Partei helfen, den Kadern eine richtige Schulung und eine richtige politische Erziehung zuteil werden zu lassen. Denn nur auf diesem Wege, nur in einer Atmosphäre offener und ehrlicher Selbstkritik kann man wirklich bolschewistische Kader erziehen, kann man wirkliche bolschewistische Führer erziehen. Zwei Beispiele, die die Richtigkeit der These Lenins veranschaulichen. Nehmen wir beispielsweise unsere Fehler beim Aufbau der Kollektivwirtschaften. Sie erinnern sich sicherlich des Jahres 1930, als unsere Parteigenossen die äußerst kompli- zierte Frage der Überleitung der Bauernschaft in die Bahnen des kollektivwirt- schaftlichen Aufbaus in knapp drei, vier Monaten lösen zu können glaubten und als das Zentralkomitee der Partei sich gezwungen sah, die übereifrigen Genossen in die Schranken zu weisen. Das war eine der gefahrvollsten Perioden im Leben unserer Partei. Der Fehler bestand darin, dass unsere Parteigenossen den Grundsatz der Freiwilligkeit beim Aufbau der Kollektivwirtschaften vergaßen, dass sie vergaßen, dass man die Bauern nicht durch administrativen Druck auf den kollektivwirtschaftlichen Weg überleiten kann, vergaßen, dass der kollektivwirtschaftliche Aufbau nicht ein paar Monate, sondern mehrere Jahre sorgfältiger und wohl durchdachter Arbeit erfordert. Sie vergaßen das und wollten ihre Fehler nicht zugeben. Wie Sie sich sicherlich erinnern, stieß der Hinweis des ZK, dass unsere Genossen vor Erfolgen von Schwindel befallen wurden, sowie die Weisung, dass unsere Genossen draußen im Lande nicht vorauseilen und die reale Situation nicht ignorieren dürfen, auf stärksten Widerstand. Aber das hielt das ZK nicht davon ab, gegen den Strom zu schwimmen und unsere Parteigenossen auf den richtigen Weg zurückzubringen. Nun, und? Jetzt ist es für alle klar, dass die Partei erreicht hat, was sie erreichen wollte, indem sie unsere Parteigenossen auf den richtigen Weg zurückbrachte. Jetzt haben wir Zehntau- sende vortrefflicher Kader aus der Bauernschaft für den kollektivwirtschaftlichen Aufbau und für die Leitung der Kollektivwirtschaften. Diese Kader sind anhand der Fehler von 1930 geschult und erzogen worden. Aber diese Kader hätten wir heute nicht, wenn die Partei damals ihre Fehler nicht erkannt und sie nicht rechtzeitig korrigiert hätte. Ein anderes Beispiel, diesmal aus dem Gebiet des industriellen Aufbaus. Ich meine unsere Fehler zur Zeit der Schädlingsarbeit im Schachty-Bezirk. Unsere Fehler bestan- den darin, dass wir die ganze Gefahr der technischen Rückständigkeit unserer Kader in der Industrie nicht berücksichtigten, dass wir uns mit dieser Rückständigkeit abfanden und meinten, einen großzügigen sozialistischen Aufbau der Industrie mit Hilfe feind- lich gesinnter Spezialisten durchführen zu können, während wir unsere Wirtschafts- kader zur Rolle schlechter Kommissare bei den bürgerlichen Spezialisten verurteilten. Sie erinnern sich sicherlich, wie ungern unsere Wirtschaftskader damals ihre Fehler zugaben, wie ungern sie ihre technische Rückständigkeit zugaben und wie wider- strebend sie sich die Losung „Die Technik meistern“ zu eigen machten. Und was geschah? Die Tatsachen beweisen, dass die Losung „Die Technik meistern“ ihre Wirkung getan und gute Resultate gezeitigt hat. Jetzt haben wir Zehntausende und Hunderttausende vortrefflicher bolschewistischer Wirtschaftskader, die die Technik bereits gemeistert haben und unsere Industrie vorwärts treiben. Aber diese Kader hätten wir heute nicht, wenn die Partei vor der Starrköpfigkeit der Wirtschaftler, die ihre technische Rückständigkeit nicht zugeben wollten, die Segel gestrichen hätte, wenn die Partei damals ihre Fehler nicht erkannt und sie nicht rechtzeitig korrigiert hätte. Manche Genossen sagen, es sei unzweckmäßig, offen über unsere Fehler zu sprechen, da die offene Anerkennung unserer Fehler von unseren Feinden als Schwäche ausgelegt und von ihnen ausgenutzt werden könne. Das ist Unsinn, Genossen, purer Unsinn. Die offene Anerkennung unserer Fehler und ihre ehrliche Behebung kann unsere Partei im Gegenteil nur stärken, die Autorität unserer Partei in den Augen der Arbeiter, der Bauern und der werktätigen Intelligenz nur heben, die Kraft und die Macht unseres Staates nur steigern. Und das ist die Hauptsache. Wichtig ist, dass die Arbeiter, die Bauern, die werktätige Intelligenz mit uns gehen - alles andere wird sich schon finden. Andere Genossen sagen, die offene Anerkennung unserer Fehler könne dazu führen, dass unsere Kader nicht geschult und gefestigt, sondern geschwächt und zerrüttet werden, wir müssten unsere Kader schonen und hüten, wir müssten auf ihre Eigenliebe Rücksicht nehmen und auf ihre Ruhe bedacht sein. Zu diesem Zweck schlagen sie vor, die Fehler unserer Genossen zu vertuschen, die Schärfe der Kritik abzuschwächen oder noch besser - an diesen Fehlern vorüberzugehen. Eine solche Einstellung ist nicht nur von Grund aus falsch, sondern auch im höchsten Grade gefährlich, gefährlich vor allem für die Kader, die man „schonen“ und „hüten“ will. Die Kader durch Vertuschung ihrer Fehler schonen und erhalten wollen, bedeutet diese Kader unfehlbar zugrunde richten. Wir hätten unsere bolschewistischen Kader in der Kollektivwirtschaftsbewegung unfehlbar zugrunde gerichtet, wenn wir die Fehler von 1930 nicht aufgedeckt und sie nicht anhand dieser Fehler geschult hätten. Wir hätten unsere bolschewistischen Kader in der Industrie unfehlbar zugrunde gerichtet, wenn wir die Fehler unserer Genossen zur Zeit der Schädlingsarbeit im Schachty- Bezirk nicht aufgedeckt und unsere Industriekader nicht anhand dieser Fehler geschult hätten. Wer auf die Eigenliebe unserer Kader Rücksicht nehmen will und dabei ihre Fehler vertuscht, der richtet sowohl die Kader als auch die Eigenliebe der Kader zugrunde, denn durch die Vertuschung ihrer Fehler begünstigt er die Wiederholung neuer, vielleicht schwerwiegenderer Fehler, die, wie anzunehmen ist, zu einem völligen Bankrott der Kader, zum Schaden ihrer „Eigenliebe“ und „Ruhe“ führen würden. 6. Lenin lehrte uns, nicht nur die Massen zu lehren, sondern auch von den Massen zu lernen. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass wir, die Führer, nicht überheblich werden dürfen und verstehen müssen, dass, wenn wir Mitglieder des ZK oder Volkskommissare sind, dies noch nicht heißt, dass wir alle Kenntnisse besitzen, die nötig sind, um richtig führen zu können. Das Amt an sich gibt keine Kenntnisse und Erfahrungen. Der Titel noch weniger. Das bedeutet, dass unsere Erfahrungen allein, die Erfahrungen der Führer, nicht ausreichen, um richtig führen zu können, dass folglich unsere Erfahrungen, die Erfah- rungen der Führer, durch die Erfahrungen der Massen, durch die Erfahrungen der Mitgliedermassen der Partei, durch die Erfahrungen der Arbeiterklasse, durch die Erfahrungen des Volkes ergänzt werden müssen. Das bedeutet, dass wir unsere Verbindungen mit den Massen keine Minute lang lockern, geschweige denn abbrechen dürfen. Das bedeutet schließlich, dass wir auf die Stimme der Massen, auf die Stimme der einfachen Parteimitglieder, auf die Stimme der so genannten „kleinen Leute“, auf die Stimme des Volkes lauschen müssen. Was bedeutet es, richtig zu führen? Das bedeutet keineswegs, am Schreibtisch zu sitzen und Direktiven zu kritzeln. Richtig führen heißt: Erstens, die richtige Entscheidung in einer Frage treffen, eine richtige Entscheidung aber kann man nicht treffen, ohne die Erfahrungen der Massen zu berücksichtigen, die die Resultate unserer Führung am eigenen Leibe verspüren; zweitens, die Durchführung des richtigen Beschlusses organisieren, was jedoch nicht ohne die direkte Hilfe der Massen geschehen kann; drittens, die Kontrolle der Durchführung dieses Beschlusses organisieren, was wiederum nicht ohne die direkte Hilfe der Massen geschehen kann. Wir, die Führer, sehen die Dinge, die Ereignisse, die Menschen nur von einer Seite, ich möchte sagen, von oben; unser Blickfeld ist also mehr oder minder begrenzt. Die Massen dagegen sehen die Dinge, die Ereignisse, die Menschen von einer anderen Seite, ich möchte sagen, von unten; ihr Blickfeld ist also in gewissem Grade ebenfalls begrenzt. Um die richtige Entscheidung in einer Frage zu treffen, muss man beide Erfahrungen miteinander vereinigen. Nur in einem solchen Fall wird die Führung richtig sein. Das bedeutet es, die Massen nicht nur zu lehren, sondern auch von den Massen zu lernen. Zwei Beispiele, die die Richtigkeit dieser These Lenins veranschaulichen. Es war vor einigen Jahren. Wir Mitglieder des ZK behandelten die Frage der Verbesserung der Lage im Donezbecken. Der vom Volkskommissariat für Schwer- industrie vorgelegte Entwurf von Maßnahmen war offenkundig unbefriedigend. Drei- mal wurde der Entwurf in das Volkskommissariat für Schwerindustrie zurück- verwiesen. Dreimal erhielten wir aus dem Volkskommissariat für Schwerindustrie jeweils andere Entwürfe. Und dennoch konnte man sie nicht als befriedigend anerkennen. Schließlich beschlossen wir, einige Arbeiter und untere Wirtscharts- und Gewerkschaftsfunktionäre aus dem Donezbecken kommen zu lassen. Drei Tage lang berieten wir uns mit diesen Genossen. Und wir alle, die Mitglieder des ZK, mussten zugeben, dass nur sie, diese einfachen Funktionäre, diese „kleinen Leute“, uns zu einer richtigen Entscheidung zu verhelfen vermochten. Sie erinnern sich sicherlich des bekannten Beschlusses des ZK und des Rates der Volkskommissare über die Maßnahmen zur Verstärkung der Kohlenförderung im Donezbecken. Zu diesem Beschluss des ZK und des Rates der Volkskommissare, der von allen unseren Genossen als richtig und sogar als bedeutsam anerkannt worden ist, verhalfen uns einfache Menschen aus der Masse. Ein anderes Beispiel. Ich meine das Beispiel mit Genossin Nikolajenko. Wer ist Genossin Nikolajenko? Genossin Nikolajenko ist ein einfaches Parteimitglied. Sie gehört zu den gewöhnlichen „kleinen Leuten“. Ein ganzes Jahr lang gab sie Signale über die schlimme Lage in der Parteiorganisation von Kiew, enthüllte die Sippenwirtschaft, das kleinbürgerlich-spießerhafte Herangehen an die Funktionäre, die Unterdrückung der Selbstkritik, das Überhandnehmen der trotzkistischen Schädlinge. Man suchte sie sich vom Leibe zu halten wie eine zudringliche Fliege. Und um sie schließlich loszuwerden, schloss man sie kurzerhand aus der Partei aus. Weder die Kiewer Organisation noch das ZK der Kommunistischen Partei der Ukraine (Bolschewiki) halfen ihr, die Wahrheit an den Tag zu bringen. Erst das Eingreifen des Zentralkomitees der Partei half, diesen verworrenen Knäuel zu entwirren. Und was stellte sich nach der Untersuchung der Sache heraus? Es stellte sich heraus, dass Genossin Nikolajenko Recht hatte, die Kiewer Organisation aber Unrecht. Nicht mehr und nicht weniger. Aber wer ist Genossin Nikolajenko? Sie ist natürlich nicht Mitglied des ZK, sie ist nicht Volkskommissar, sie ist nicht Sekretär der Kiewer Gebietsorganisation, sie ist nicht einmal Sekretär irgendeiner Zelle, sie ist nur ein schlichtes, einfaches Parteimitglied. Wie Sie sehen, stehen einfache Menschen der Wahrheit mitunter bedeutend näher als manche hohe Institutionen. Man könnte noch Dutzende und Hunderte solcher Beispiele anführen. Es ergibt sich somit, dass zur Führung unserer Sache unsere Erfahrungen allein, die Erfahrungen der Führer, bei weitem nicht ausreichen. Um richtig führen zu können, müssen die Erfahrungen der Führer ergänzt werden durch die Erfahrungen der Mitgliedermassen der Partei, durch die Erfahrungen der Arbeiterklasse, durch die Erfahrungen der Werktätigen, durch die Erfahrungen der so genannten „kleinen Leute“. Wann aber ist das möglich? Das ist nur dann möglich, wenn die Führer aufs engste mit den Massen verbunden sind, wenn sie mit den Mitgliedermassen der Partei, mit der Arbeiterklasse, mit der Bauernschaft, mit der werktätigen Intelligenz verbunden sind. Die Verbindung mit den Massen, die Festigung dieser Verbindung, die Bereitwilligkeit, auf die Stimme der Massen zu lauschen - darin liegt die Stärke und die Unbesiegbarkeit der bolschewistischen Führung. Man kann es als Regel betrachten, dass die Bolschewiki unbesiegbar bleiben, solange sie die Verbindung mit den breiten Massen des Volkes bewahren. Und umgekehrt, die Bolschewiki brauchen sich nur von den Massen loszulösen, die Verbindung mit ihnen zu verlieren, sich mit bürokratischem Rost zu bedecken, um jegliche Kraft einzubüßen und sich in ein Nichts zu verwandeln. Die alten Griechen hatten in ihrer Mythenwelt einen berühmten Heros, den Antäus, der, wie in der Mythologie erzählt wird, ein Sohn Poseidons, des Gottes der Meere, und der Gäa, der Göttin der Erde, war. Er hegte besondere Anhänglichkeit für seine Mutter, die ihn geboren, genährt und erzogen hatte. Es gab keinen Helden, den er, dieser Antäus, nicht besiegt hätte. Er galt als ein unbesiegbarer Heros. Worin bestand seine Kraft? Sie bestand darin, dass er jedes Mal, wenn er im Kampfe mit einem Gegner in Bedrängnis kam, die Erde, seine Mutter, berührte, die ihn geboren und genährt hatte, und so neue Kraft schöpfte. Aber dennoch hatte er seine schwache Stelle: Das war die Gefahr, auf irgendeine Weise von der Erde losgerissen zu werden. Die Feinde rechneten auf diese seine Schwäche und lauerten ihm auf. Und es fand sich ein Feind, der diese seine Schwäche ausnutzte und ihn besiegte. Das war Herkules. Wie aber besiegte er ihn? Er riss ihn von der Erde los, hob ihn in die Luft, nahm ihm die Möglichkeit, die Erde zu berühren, und erdrosselte ihn auf diese Weise in der Luft. Ich denke, die Bolschewiki erinnern uns an den Heros der griechischen Mythologie, Antäus. Ebenso wie Antäus sind sie dadurch stark, dass sie die Verbindung mit ihrer Mutter, mit den Massen, aufrechterhalten, die sie erzeugt, genährt und erzogen haben. Und solange sie die Verbindung mit ihrer Mutter, mit dem Volke aufrechterhalten, haben sie alle Aussicht, unbesiegbar zu bleiben. Darin liegt der Schlüssel der Unbesiegbarkeit der bolschewistischen Führung. 7. Schließlich noch eine Frage. Ich meine die Frage des formalen und herzlos- bürokratischen Verhaltens mancher unserer Parteigenossen gegenüber dem Schicksal einzelner Parteimitglieder, zur Frage des Ausschlusses von Parteimitgliedern aus der Partei beziehungsweise zur Frage der Wiedereinsetzung Ausgeschlossener in die Rechte von Parteimitgliedern. Es handelt sich darum, dass manche unserer führenden Partei- funktionäre daran kranken, dass sie es den Menschen, den Parteimitgliedern, den Mitarbeitern gegenüber an Aufmerksamkeit fehlen lassen. Mehr noch, sie sind nicht bemüht, die Parteimitglieder kennen zu lernen, sie wissen nicht, was sie bewegt und wie sie sich entwickeln, sie kennen die Mitarbeiter überhaupt nicht. Darum gehen sie nicht individuell an die Parteimitglieder, an die Parteifunktionäre heran. Und eben weil sie bei der Beurteilung der Parteimitglieder und Parteifunktionäre nicht individuell an sie herangehen, handeln sie gewöhnlich aufs Geratewohl: Entweder sie loben sie in Bausch und Bogen und ohne Maß, oder sie prügeln sie ebenso in Bausch und Bogen und ohne Maß, schließen sie zu Tausenden und Zehntausenden aus der Partei aus. Solche Führer sind überhaupt bestrebt, in Zehntausenden zu denken und sich nicht um „Einer“, um einzelne Parteimitglieder, um ihr Schicksal zu kümmern. Tausende und Zehntausende aus der Partei auszuschließen, ist für sie eine Lappalie, und sie trösten sich damit, dass unsere Partei zwei Millionen Mitglieder hat und Zehntausende Ausgeschlossener nichts an der Lage der Partei zu ändern vermögen. So aber können an Parteimitglieder nur Leute herangehen, die im Grunde genommen zutiefst parteifeindlich eingestellt sind. Durch ein solches herzloses Verhalten gegenüber den Menschen, gegenüber den Partei- mitgliedern und den Parteifunktionären wird künstlich Unzufriedenheit und Erbit- terung in einem Teil der Partei hervorgerufen, die trotzkistischen Doppelzüngler aber machen sich schlau an solche erbitterte Genossen heran und zerren sie geschickt mit sich in den Sumpf des trotzkistischen Schädlingswesens. An sich stellten die Trotzkisten niemals eine große Kraft in unserer Partei dar. Erinnern Sie sich an die letzte Diskussion in unserer Partei im Jahre 1927. Das war eine wirkliche Urabstimmung der Partei. Von 854000 Parteimitgliedern gaben damals 730000 Parteimitglieder ihre Stimme ab. Davon stimmten für die Bolsche- wiki, für das Zentralkomitee der Partei, gegen die Trotzkisten - 724000 Partei- mitglieder, für die Trotzkisten 4000 Parteimitglieder, das heißt etwa ein halbes Prozent, während sich 2600 Parteimitglieder der Stimme enthielten. An der Abstimmung haben nicht teilgenommen 123000 Parteimitglieder. Sie haben nicht teilgenommen, weil sie entweder unterwegs waren oder Schicht hatten. Fügt man zu den 4000, die für die Trotzkisten stimmten, alle hinzu, die sich der Stimme enthielten - in der Annahme, dass sie ebenfalls mit den Trotzkisten sympathisierten -, und fügt man dieser Summe nicht ein halbes Prozent derjenigen hinzu, die nicht an der Abstimmung teilnahmen, wie das richtigerweise geschehen müsste, sondern 5 Prozent, das heißt rund 6000 Parteimitglieder, so ergibt sich eine Zahl von rund 12000 Parteimitgliedern, die auf diese oder jene Weise mit dem Trotzkismus sympathisierten. Da haben Sie die ganze Kraft der Herren Trotzkisten. Ziehen Sie noch den Umstand in Betracht, dass viele von ihnen, vom Trotzkismus enttäuscht, ihm den Rücken gekehrt haben, und Sie können sich eine Vorstellung von der Nichtigkeit der trotzkistischen Kräfte machen. Und wenn die trotzkistischen Schädlinge trotzdem noch irgendwelche Reserven im Bereich unserer Partei haben, so deshalb, weil die falsche Politik mancher unserer Genossen in der Frage des Parteiausschlusses und der Wiederaufnahme Ausgeschlossener, das herzlose Verhalten mancher unserer Genossen gegenüber dem Schicksal einzelner Parteimitglieder und einzelner Funktionäre künstlich Unzufrie- denheit und Erbitterung hervorrufen und den Trotzkisten somit diese Reserven verschaffen. Meistens erfolgt der Ausschluss wegen so genannter Passivität. Was ist das - Passivität? Man meint, wie sich herausstellt, dass ein Parteimitglied, wenn es das Programm der Partei nicht beherrscht, passiv sei und ausgeschlossen werden müsse. Aber das ist doch nicht richtig, Genossen. Es geht doch nicht an, das Statut unserer Partei so buch- stabenmäßig auszulegen. Um das Programm der Partei zu beherrschen, muss man ein wirklicher Marxist, ein erprobter und theoretisch geschulter Marxist sein. Ich weiß nicht, ob sich bei uns viele Parteimitglieder finden werden, die unser Programm bereits beherrschen, die bereits wirkliche Marxisten, theoretisch geschulte und erprobte Marxisten sind. Wollten wir auf diesem Wege weitergehen, so dürften wir nur Intellektuelle und überhaupt Gelehrte in der Partei lassen. Wer braucht eine solche Partei? Wir besitzen die bewährte Leninsche Formel über die Parteimitgliedschaft, eine Formel, die allen Prüfungen standgehalten hat. Aufgrund dieser Formel gilt als Parteimitglied derjenige, der das Parteiprogramm anerkennt, Mitgliedsbeiträge zahlt und in einer ihrer Organisationen arbeitet. Beachten Sie: In der Leninschen Formel ist nicht von Beherrschung des Programms, sondern von Anerkennung des Programms die Rede. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Es bedarf keines Beweises, dass Lenin hier Recht hat und nicht unsere Parteigenossen, die unnützerweise von Beherrschung des Programms schwätzen. Es ist doch einleuchtend: Wollte die Partei davon ausgehen, dass Parteimitglieder nur solche Genossen sein können, die das Programm bereits beherrschen und theoretisch geschulte Marxisten sind, so würde sie nicht in der Partei Tausende von Parteizirkeln, Hunderte von Parteischulen einrichten, in denen die Parteimitglieder im Marxismus unterrichtet werden und wo man ihnen hilft, sich unser Programm anzueignen. Es ist ganz klar, dass die Partei solche Schulen und Zirkel für Parteimitglieder organisiert, weil sie weiß, dass die Parteimitglieder das Partei- programm noch nicht beherrschen, dass sie noch keine theoretisch geschulten Marxisten sind. Um also unsere Politik in der Frage der Parteimitgliedschaft und des Parteiausschlusses zu korrigieren, muss mit der jetzigen törichten Auslegung der Frage der Passivität Schluss gemacht werden. Es gibt jedoch bei uns noch einen anderen Fehler auf diesem Gebiet. Die Sache ist die, dass unsere Genossen zwischen zwei Extremen keine Mitte gelten lassen. Ein Arbeiter, ein Parteimitglied braucht sich nur eine leichte Verfehlung zuschulden kommen zu lassen, braucht nur ein- oder zweimal zur Parteiversammlung zu spät zu kommen, aus irgendeinem Grunde die Mitgliedsbeiträge nicht zu bezahlen, und schon wirft man ihn im Handumdrehen aus der Partei hinaus. Man interessiert sich nicht dafür, wie groß seine Verfehlung ist, warum er nicht zur Versammlung kommt, warum er die Mitgliedsbeiträge nicht bezahlt. Der Bürokratismus in diesen Fragen ist geradezu unerhört. Es ist nicht schwer zu verstehen, dass gerade infolge einer derartigen herzlosen Politik ausgezeichnete qualifizierte Arbeiter, hervorragende Stachanowleute aus der Partei hinausgeworfen wurden. Aber hätte man ihnen, bevor man sie aus der Partei ausschloss, nicht eine Verwarnung erteilen können, wenn das nicht wirkte - einen Verweis oder eine Rüge, und wenn auch das nicht wirkte, hätte man ihnen dann nicht eine Bewährungsfrist festsetzen oder sie äußerstenfalls in den Kandidatenstand zurückversetzen können, anstatt sie mit einer Handbewegung aus der Partei auszu- schließen? Natürlich hätte man das gekonnt. Dazu aber bedarf es eines aufmerksamen Verhaltens gegenüber den Menschen, den Parteimitgliedern, gegenüber dem Schicksal der Parteimitglieder. Gerade das aber fehlt manchem unserer Genossen. Es ist Zeit, Genossen, höchste Zeit, mit diesen Schändlichkeiten Schluss zu machen. (Beifall). Foto: Josef W. Stalin, Generalsekretär der KPdSU(B), Lizenz: Die Datei ist gemeinfrei Aus: "Stalin", Werke, Band 14, ÜBER DIE MANGEL DER PARTEIARBEIT UND DIE MASSNAHMEN ZUR LIQUIDIERUNG DER TROTZKISTISCHEN UND SONSTIGEN DOPPELZÜNGLER, Referat und Schlusswort auf dem Plenum des ZK der KPdSU(B) 3. und 5. März 1937, übersetzt auf http://www.stalinwerke.de |