Veröffentlicht am 30.05.2015, Autor : C.R.

Aufruf zum Frieden stößt "Spiegel" sauer auf

»Alle Wege der Friedensbewegung führen nach Moskau!«

Das meint man jedenfalls beim »Spiegel«. Forderungen wie: »Wir brauchen keine Kriegshetze gegen Russland, sondern mehr gegenseitiges Verständnis und ein friedliches Neben- und Miteinander. (…) Statt einer ’Schnellen Eingreiftruppe der NATO‘ an den Ostgrenzen brauchen wir mehr Tourismus, Jugendaustausch und Friedenstreffen mit unseren östlichen Nachbarn«, findet man dort nämlich »abstrus« (www.spiegel.de/politik/deutschland/ukraine-krise-ex-soldaten-der- nva-wettern-gegen-eu-und-nato-a-1034991.html). Ganz zu schweigen von: »Wir brauchen ein friedliches Deutschland in einem friedlichen Europa«.
Wer mag solch haarsträubende Sätze bloß fabrizieren? Die Antwort: Rund 100 Generäle der vor 25 Jahren aufgelösten Nationalen Volksarmee der DDR (sowie Sigmund Jähn, im Jahre 1978 der erste Deutsche im Kosmos). Für den »Spiegel« ist klar: »eine Art Zentralkomitee zur Bewahrung der Militär-Ostalgie«.

»Wortschwall«

Und was lässt dieses ZK in seinem Aufruf unter dem Titel »Soldaten für den Frie- den«(vtnvagt.de/index.php/vorstandsinformationen/248-soldaten-fuer-den- frieden) verlautbaren? »Die von den USA und ihren Verbündeten betriebene Neuordnung der Welt hat in den letzten Jahren zu Kriegen in Jugoslawien und Afghanistan, im Irak, Jemen und Sudan, in Libyen und Somalia geführt. Fast zwei Millionen Menschen wurden Opfer dieser Kriege, und Millionen sind auf der Flucht. Nun hat das Kriegsgeschehen wiederum Europa erreicht. (…) In den letzten Jahren ist die NATO immer näher an die Grenzen Russlands herangerückt. Mit dem Versuch, die Ukraine in die EU und in die NATO aufzunehmen, sollte der Cordon sanitaire von den baltischen Staaten bis zum Schwarzen Meer geschlossen werden, um Russland vom restlichen Europa zu isolieren.«
Dazu »Spiegel online«: Der »antifaschistische Wortschwall« (zu etwas anderem als zu einem »Wortschwall« – laut Duden abwertend – ist der Antifaschismus dem ehemaligen »Sturmgeschütz der Demokratie« wohl nicht gut) »thematisiert angeblich die Krise in der Ukraine, vor allem geht es darin aber um ’die jüngsten Kriege der USA und der NATO‘, ’die in den Medien geschürte Kriegshysterie und Russenphobie‘, ’die forcierte Militarisierung Osteuropas‘« und »zeigt vor allem eins: Die Verfasser… sind böse auf die Besserwessis in Washington, Brüssel und Berlin«.
Wer wird schon griesgrämigen alten Betonköpfen beipflichten?

Besserwessis

»Der Ukraine-Konflikt zeigt: Die Sucht nach Macht und Vorherrschaft ist nicht überwunden. (…) Anders ist die für Russland bedrohlich wirkende Ausdehnung des Westens nach Osten ohne gleichzeitige Vertiefung der Zusammenarbeit mit Moskau… nicht zu erklären. (…) Leitartikler und Kommentatoren dämonisieren ganze Völker, ohne deren Geschichte ausreichend zu würdigen. Jeder außenpolitisch versierte Journalist wird die Furcht der Russen verstehen, seit NATO-Mitglieder 2008 Georgien und die Ukraine einluden, Mitglieder im Bündnis zu werden. Es geht nicht um Putin. Staatenlenker kommen und gehen. Es geht um Europa.« (Aufruf von über 60 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien der BRD, u. a. Gerhard Schröder und Roman Herzog)
»Für eine stabile europäische Sicherheitsordnung ist die Einbeziehung Russlands existentiell. (…) Mit Blick auf die Osterweiterung von NATO und EU war uns allen immer auch bewusst – den Europäern mehr, den Amerikanern weniger –, dass die Osterweiterung in beiden Bündnissen das Sicherheitsinteresse Russlands natürlich elementar berührt und dass wir auf die Befindlichkeiten Russlands in seinem strategischen Umfeld Rücksicht nehmen mussten, wenn wir keine unnötigen Spannungen riskieren wollten.« (Helmut Kohl in seinem Buch »Aus Sorge um Europa«)
»Die Angehörigen der Nationalen Volksarmee gehörten als Speerspitze der Streitkräfte des Warschauer Pakts zu denen, die die Folgen einer militärischen Auseinandersetzung in Europa und damit in Deutschland beurteilen können. Es zeichnet die Verfasser aus, dabei die historische Entwicklung und die daraus resultierende Verpflichtung deutlich anzusprechen.« (Willy Wimmer, CDU, ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung)
»Durch Zufall bin ich auf Ihre Aussendung ’Soldaten für den Frieden‘ gestoßen und möchte Ihnen dazu gratulieren und Sie in Ihrem Handeln bestärken.« (General i.R. Friedrich Hessel, ehemaliger stellvertretender Generalstabschef des öster- reichischen Bundesheeres)

Haig statt Honecker

Wie dem auch sei, beim »Spiegel« fragt man lieber, »warum die Welt auf solch traditionsbeseelte Verteidiger des Arbeiter- und Mauernstaats hören sollte«. Jene Zeitschrift, die sich nach dem Absturz eines Passagierflugzeugs im Donbass – wohlgemerkt »auf der Route, die sich unter der Kontrolle der kriegerischen Regierung des Schokoladenkönigs Petro Poroschenko befindet« (Fidel Castro; »junge Welt«, 21. Juli 2014, S. 8) – nicht zu schade war, umgehend »Stoppt Putin jetzt!« zu titeln, zieht der DDR der »Soldaten für den Frieden« wohl die USA des Generals Alexander Haig vor; dieser erklärte in seiner Amtszeit als Außenminister (1981/82): »Es gibt wichtigere Dinge, als im Frieden zu leben«.